Adolf Böttger

 

Es flammen hell im Saal die Girandolen,

Musik durchströmt den Raum mit süßen Tönen;

Begeistert lauscht die reihe junger Schönen,

Ein bunter Flor von Tulpen und Violen.

 

Der Blick des Jünglings schweift indeß verstohlen

Auf diesen Blumen, die das Leben krönen,

Sein Inn’res möchte mit der Flöte stöhnen,

Verhaucht ihr Ton in leisen Lebewohlen.

 

Wohl mag ich gern den holden Klängen lauschen,

Die sich gestalten in so schöner Runde,

Doch mit noch süßern wüßt’ ich sie zu tauschen:

 

Ach, nur ein Wort aus deinem lieben Munde,

Und all’ die Töne müßten hier verrauschen,

Das ist Musik, von der ich ganz gesunde.

 

 

 

 

 

Adolf Böttger             

 

Mich treibt es ruhlos, dich, nur dich zu schauen,

In deiner Näh’ empfind’ ich volles Leben,

Anmuth’ge Bilder seh’ ich mich umschweben,

Die mir der Dichtung Himmel auferbauen!

 

Wenn deine Blicke sonnenmächtig thauen

Die Kälte, welche lang’ dies Herz umgeben,

So mag ich kaum dem Drange wiederstreben,

Dir Alles, ja das Liebste zu vertrauen.

 

Und dennoch faßt allstündlich mich ein Bangen,

Mein tiefstes Wesen frei dir zu entfalten

Mit allen seinen Planen und Verlangen:

 

Denn vor der Schönheit fesselnden Gewalten

Verstummt der Mund, die Seele stockt befangen

Und wähnt die Gluth im Worte zu erkalten.

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

O daß ich in des Todes ernster Stunde

Rasch, kräftig gleich dem Blitze könnte scheiden,

Daß klaren Sinns, erhaben über Leiden,

Mein letzter blick noch hing’ an deinem Munde.

 

Die Trennung wär’ Beginn zu engem Bunde,

Ein neues Leben würde nur uns Beiden,

Ein inniger Vereinen dieses Meiden,

Was Andern dünkt die unheilbarste Wunde.

 

Ich strebe nicht nach überird’schen Früchten

Zum Licht, vor dem die Sterne selbst erblinden,

Deß Hochmuths soll mich Keiner je bezüchten;

 

Ich wünsche nur, wenn meine Kräfte schwinden,

Mag meine Seel’ in deine Seele flüchten

Und in dir lebend ihren Himmel finden.

 

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Es wirbelt taumelnd Blatt auf Blatt vom Baume,

Die Wipfel starren frostig wie Skelette,

Der Herbst führt schläfrig die Natur zu Bette

Und sie erstirbt im dumpfen Wintertraume.

 

Ein ew’ges Sterben herrscht im Weltenraume

Vom Luftatom bis zur Gestirnenkette,

Doch stets erschafft das All sich um die Wette

In neuer Form, in neuem Lebensschaume.

 

Wer wollte fürchten noch des Todes Waffen,

Wer bangen vor des Grabes dunklem Gitter?

Wer wagte nicht sich männlich aufzuraffen?

 

Fortlebst in Andern du, als zweiter, dritter,

Zum Schöpfer wardst du selber dir geschaffen...

Der Tod ist süß, das Sterben nur ist bitter,

 

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Willst wahre Weisheit du für dich gewinnen

So geh’ auf’s Feld, wo frische Blumen sprießen,

Von ihnen lernst das Leben du genießen,

Erkenntnis zeigt sich deinen durst’gen Sinnen.

 

Und will der Lug des Frömmlers dich umspinnen,

Der nur den Glauben hemmt statt zu erschließen,

So geh zum Bach, deß Wellen rauschend fließen,

Und das Geheimniß Gottes hörst du rinnen.

 

Nur eine große Kirche giebt es, Eine,

Die jedes Herz erfüllt mit Liebeswonne,

Natur, Natur mit ihrem Heil’genscheine.

 

Und willst du drinnen beten zur Madonne,

Nimm dir ein süßes Liebchen, wie das meine,

Schön wie der Lenz und blendend wie die Sonne.

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Johanniswürmchen leuchten durch die Rüstern,

Des grünen Waldes goldne Wandelsterne;

Ich lieg’ im Grase hingestreckt und lerne,

Wie man der Brust versagt, wonach sie lüstern.

 

Wenn Zweige mir die Aussicht auch verdüstern –

Zum blauen Himmel blickt’ ich gar zu gerne,

Doch der ist fühllos, ach! und mir so ferne,

Daß kaum ich mag von seiner Schönheit flüstern.

 

So spielt nun fort, ihr kleinen Feuergeister,

Den größten Himmel sollt ihr mir ersetzen,

In eurer Mitte bin ich Herr und Meister.

 

Doch wollt ihr recht ein liebend Herz ergetzten,

So flammt und schwärmt und regt euch immer dreister,

Denn nur an Gluthen kann die Gluth sich letzen

 

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Die Drossel schlägt und Nachtigallen flöten,

Erwachend rauscht der Fluß in seinem Bette,

Der Frühling sprengte des Gefangnen Kette

Und ließ den Winter, den Tyrannen, tödten.

 

Die Blumen, die sich allgemach erhöhten,

Begehen feierlich die Ostermette,

Die Wiesenknaben mit dem Sammtbarette,

Die Rosen, die wie Mädchen keusch erröthen.

 

Naht dann die Nacht mit ihren Sternenschatten,

So steigen Elfen aus den Kelchen nieder

Und schweben tanzend auf den grünen Matten.

 

Sie schlüpfen sacht zu Menschen hin und wieder,

Daß Jedem, auch dem Lebensübersatten,

Ein holder Frühlingsrausch belebt die Glieder.

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Seh ich ein Antlitz mit dir gleichen Zügen,

Obwohl du unvergleichlich bist zu nennen,

So fühl’ ich rasche Glut in dir entbrennen

Und such’ in jenem dich mir vorzulügen.

 

Zwar ist’s ein traurig täuschendes Vergnügen,

Doch da ich dich nach liebgewordnem Kennen

Nur selten seh’, um schmerzlich mich zu trennen,

So muß mir diese Täuschung noch genügen.

 

Wie gläub’ge Pilger mit Gemüthes-Wunden

Zum frommen Bilde der Maria wallen,

Durch ihre Huld im Herzen zu gesunden:

 

So zieht auch mein Gebet zu dir vor Allen:

O könnt’ ich dir, die meinen Geist gebunden,

Trotz aller meiner Fehler – dir gefallen!

 

 

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Der Traube Blut im blankgeschliffnen Glase,

Trink ich dein Wohl zu raschen, wilden Zügen,

So trinkt der Heimath Wohl aus vollen Krügen

Der Pilger in des Wüsenmeers Oase.

 

Wär’s Nektar selbst im funkelnden Topase,

Nicht könnt’ er mich minutenlang betrügen,

Nur du allein, du könntest mir genügen,

Wenn ich dich küssend wild in Liebe rase.

 

Zu Boden schleudr’ ich die gefüllte Schaale,

Daß sie zertrümmert blinkt in tausend Scherben,

Doch aus dem Glase spricht’s mit feuchtem Strahle:

 

„Was läßt dich, Thor, so grausam mich verderben,

Wähnst du, aus leichtzerschelltem Trinkpokale

Ließ sich der Liebe Rosenkelch erwerben?“

 

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Nur eine sel’ge, wenn auch kurze Stunde,

Umscherzt vom Flügel lauer Maienlüste,

bei Lerchensang, beim Hauch der Veilchendüfte

An deiner Seite ruhn auf moos’gem Grunde;

 

Tief blick in Blick getaucht und Mund auf Munde

Im Schatten süßverschwiegner Felsgeklüfte

Den Arm zu schlingen sanft um deine Hüfte –

Mein einz’ger Wunsch wär’s auf dem Erdenrunde.

 

Wenn du mir lächelnd drohtest und befangen,

Ich machte jeden Zweifen dir zu nichte,

Und gern gestünd’ ich dir, was ich begangen:

 

In deinen Augen las ich Weltgeschichte,

Die Weisheit holt’ ich mir von deinen Wangen

Und von den Lippen küßt’ ich mir Gedichte.

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Die kleinste Schuld, die selbst ich unbedächtig

Im grauen Einerlei des Tags begangen,

Belastet mich mit ahnungsvollem Bangen,

Seh’ ich dein Antlitz fromm und wundermächtig.

 

Blickt auch dein Auge noch so mild und prächtig,

Zieht mich danach magnetisches Verlangen,

Ich meid’ es doch – ich denk’, auf meinen Wangen

Kannst lesen du, daß mir’s im Herzen nächtig.

 

So adelt Anmuth mich voll Lieb’ und Schonung,

Indem sie meiner Seele Rauhheit mildert,

Und so mich werth macht deines Blicks Belohnung.

 

Schönheit erhebt, wo das Gemüth verwildert,

Und deine ward der schönsten Seele Wohnung,

Wie Byron sie und Raphaël geschildert.

 

 

 

 

 

 

Adolf Böttger

 

Der Frühling kränzt sich neu mit Epheuranken

Die Primeln blühn, die Hyazinthen prangen,

Im Busen regt sich jugendlich Verlangen

Und klärt die Blicke, die erst finster sanken.

 

Ich fühl’ allein noch meinen Sinn erkranken,

Da denk’ ich deiner morgenfrischen Wangen,

Und bald erwacht mir wieder süßes Bangen,

Ein ganzer Frühling liebender Gedanken.

 

Ich will von aller Welt mich gerne trennen,

Zu lieben weiß sie minder als zu hassen,

Nur dir laß meine Liebe dich bekennen –

 

Doch ein Gedanke will mich trüb’ erfassen,

Im Auge fühl’ ich heiße Thränen brennen –

Wenn du mich ließest, wär’ ich ganz verlassen.